Lloyd Cole wirkt ein wenig schief ins Leben gebaut. “Maybe I’m not built for these times… Maybe I don’t know how to live”, lässt er sein lyrisches Ich im Song “Why In The World?” lamentieren. Die Stimme voll des Haderns und Zweifelns, Skepsis spricht aus dem Blick unter dem grau melierten Haupthaar. Lloyd Cole sieht sich selbst als Platte mit einem Sprung. Und doch verbreitet er eine schon fast launige Stimmung.

Der Brite hält seine Melancholie seit Jahrzehnten souverän in der Balance. Zwar verweist er unermüdlich auf die holprigen Seiten des Seins, belässt es aber in der Regel bei einer Weltbetrachtung der Süffisanz, die ihm dann meist als besonders intelligente Form britischen Humors ausgelegt wird.

Lange ist dem 49-Jährigen das nicht mehr so gut gelungen, wie auf seinem aktuellen Soloalbum “Like A Broken Record” . Es versammelt elf Preziosen zwischen Country, Folk und Rock. Einfallsreich, stimmungsvoll und warmherzig. An diesem Sonnabend tritt er mit Matt Cullen und Mark Schwaber, seinem kleinen Ensemble, auf Kampnagel auf.

Cole, der seit zwei Jahrzehnten mit seiner Familie in den USA lebt, hat einige Jahre in düsteren Kellern zugebracht. “Manchmal fühlt man sich halt wie eine gesprungene Platte”, sagt Cole. “Gerade in der krisenanfälligen Zeit um die Lebensmitte muss man sich manchmal sagen: Mach einfach weiter.”

Cole machte weiter. Auch wenn er sich in seinen Konzerten mitunter genötigt sah, sich für seine “Grumpyness” zu entschuldigen.

Seit dem Erfolgsdebüt “Rattlesnakes” (1984), das er mit seiner Band The Commotions einspielte, hat er immer wieder den Missmutigen gegeben. Am schlimmsten auf “Don’t Get Weird On Me, Babe” (1991) oder auf “Bad Vibes” (1993). Immer blühte er dabei höchst anmutig und stilvoll im Verborgenen. Eine stabile Fangemeinde stand ihm dabei stets zur Seite. Darunter auch viele, die seinen dandyhaften Look verehrten und denen Morrissey zu arrogant war.

Dass er es nach Jahren im Untergrund noch zum Album des Monats in der deutschen Rolling-Stone-Ausgabe bringen würde, hätte Lloyd Cole sich nicht träumen lassen. Lange klangen seine Songs über gebrochene Versprechen, zerronnene Träume und Männer über Bord nicht mehr so frisch und samtig zugleich. Cole ist ein Geschichtenerzähler, der wie in “If I Were A Song” auch mal subtil mit seiner eigenen Rolle spielt und sich in einen Song hineindenkt.

Ein gutes Jahrzehnt lang hat sich Lloyd Cole mit der Gitarre allein ins Wohnzimmer zurückgezogen, in die “Writers Retreat!”, die er im gleichnamigen Song besingt. Oder er tourte alleine mit einem Koffer und zwei Gitarren um die Welt. Traurige Lieder fallen ihm mühelos ein – vor allem über die Liebe. “Es ist schon ganz schön einsam, so zu arbeiten”, sagt er mit einem Anflug von Lächeln. “Ich brauchte einen Trommler und dachte, okay, dann kann ich ja gleich meinen Lieblingstrommler nehmen. Warum also nicht einfach mal wieder eine ganze Band?”

Im Geiste gruppierte er seine Wunschcombo und fragte sie an mit dem Hinweis, er könne leider nicht viel Geld bezahlen. Das Wunder geschah, die elfköpfige Truppe um Drummer Fred Maher, Gitarrist Mark Schwaber und Keyboarder Blair Cowan sagte zu. Cole bediente Akustikgitarre und Banjo, schaute für ein paar Tage im Aufnahmestudio vorbei. Gemeinsam tragen sie zur gelungenen Mischung des Albums bei: Blair Cowan mit seinem Akkordeon und dem vom Chanson inspirierten “Oh Genevieve”; Bob Hofnarr mit seiner wunderbar altmodischen Pedal Steel in “Double Happiness”.

Große Plattenfirmen hat Lloyd Cole im Wissen darum, dass er etwas aus der Zeit gefallen ist, gar nicht erst angefragt. “Ich passe nicht auf alle Labels.” Glücklich fand er beim kleinen Hamburger Label Tapete Records eine Heimat. 1000 Fans gaben einen Vorschuss und orderten eine Deluxe-Version von “Broken Record” für 45 Dollar zu einem Zeitpunkt, als noch keine Note eingespielt war.

Seit ihrem Erscheinen überschlagen sich die Kritiker mit Lob. Es läuft also ziemlich gut für den ewigen Misanthropen. Da kann er immerhin noch mit seiner Wahlheimat hadern. “Politisch ist es schwierig. Jeder linke Ansatz wird dir dort als Sozialismus ausgelegt.” Zufriedenheit mit dem großen Ganzen wäre für einen wie Lloyd Cole aber auch viel zu einfach.

(The) Lloyd Cole Small Ensemble Sa 6.11., 20.30, Kampnagel

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Publication: Hamburger Abendblatt

Publication date: 06/11/10