Seine chronische und doch heiter performte schlechte Laune war Cole stets Antrieb für eine Karriere, die bei allen Zusammenbrüchen nie wirklich ganz beendet war.

Gerne erinnern wir uns an das Cover zum 93er Album “Bad Vibes”, für das er mit der grimmigen Visage eines Spätpubertierenden posierte. Damals hatte er gerade in den USA eine Reihe von schlechten Erfahrungen gesammelt, die er den Amerikanern nun gerne in Form einer CD vor die Füße geknallt hätte – wäre das Werk denn überhaupt auf der anderen Seite des Atlantiks erschienen. Aber da gab es mal wieder Ärger mit der Plattenfirma.

Schlechte Schwingungen, strahlende Melodien: So war das immer bei Lloyd Cole, der eine Zeit lang unsere liebste Stimme im Radio war. Denn in den 80ern befand er sich tatsächlich auf dem besten Wege zum Star; mit “Perfect Skin” hatte er 1984 einen Hit, der bis heute bei den Mainstream-Stationen nachglüht.

Ähnlich erging es Suzanne Vega die ebenfalls Mitte der 80er mit einem Hit für Furore sorgte, der auch weiterhin seine Runden durch die Oldie-Rock-Sender zieht, ohne dass sich die Leute noch so richtig an seine Schöpferin erinnern – und der gesanglich derart beschwingt gen Himmel strebt, dass man leicht das darin behandelte Missbrauchsdrama überhört: “Luka”. Gerade ist dieser Jahrzehntsong in neuer akustischer Version auf Vegas Sammlung “Close Up 2: People & Places” erschienen.

Teil 1der Sammlung trug den Titel “Love Songs”, nun aber geht es um Menschen und Orte, was der rechte Fokus ist für eine Songwriterin, die stets das Image der fahrenden Sängerin kultiviert hat und die konsequenter Weise auf dem Cover zum jüngsten Werk mit Gitarrenkoffer eine zugige Straße entlang geht, als ob an deren Ende eine Bar mit Open Mike-Abend auf sie warte.

Auch da treffen sich die 51-jährige Vega und der 49-jährige Cole: Beide leben eine Art ewiges Outsidertum. Sie werden schon mal im Mainstream-Radio gespielt, heimisch sind sie da nicht. Ihr dunkler Folk-Schmelz und sein inzwischen lüstern zerknitterter Bariton erwecken vertraute Gefühle, aber so richtig verorten lassen sich die Personen dahinter nicht.

Dass Vega New Yorkerin ist, kann man leicht vergessen, bei all den Exkursionen in abgelegene Regionen ihres Heimatlandes. Und Cole – woher kommt der noch mal? Engländer, Schotte, Ami? Schwer zu sagen bei jemandem, der die meisten seiner Platten in den USA aufgenommen hat, aber gern mit europäischen Dünkel über die neue Heimat singt.

Geeint werden die beiden auch dadurch noch mal, dass jeder von ihnen einen amtlichen New-York-Song im Repertoire hat: “NY is a Woman” heißt der nämliche, ebenfalls auf der aktuellen Anthologie zu findende Beitrag von Vega, und dass diese wunderschöne, launische und mörderische Stadt eine Frau ist, würde der alte lustige Macho Cole wohl auch unterschreiben. Bei ihm löst sich die stadttypische Dialektik in “New York City Sunshine” allerdings im Sonnenschein auf, den sich in New York der Millionär mit dem Junkie teilt.

Inzwischen scheint zumindest Lloyd Cole über eine Art spätes häusliches Glück nachzudenken: In seinem neuen Song “That’s Alright” sinniert er mit der Gattin darüber, ob sie auf Martha’s Vineyard ein französisches Landhaus erbauen sollten. Klasse, wie diese Reflexion aufs arrivierte Dasein bei aller Lässigkeit von einer melodischen Nervosität durchzogen wird.

Ankommen? Das können die grandiosen Mainstream-Exilanten Suzanne Vega und Lloyd Cole in ihrem nächsten Leben. Solange gilt: Die Gitarre bitte stets zum Aufbruch im Gitarrenkoffer bereit halten!

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Lloyd Cole: Sonntag, 14. 11., 20 Uhr, Berlin – Astra.

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Publication: Berliner Zeitung

Publication date: 15/11/10